Herr Elker, Teil 01


Die Stufen des Senats von Xpoch, dem zentralen Regierungsorgan der Stadt und des Umlandes mit großem Einfluss auf die Politik des Imperiums, zählten 46 Stufen, aufgeteilt in zwei Absätze je 23, mit zwei Bänken nach jedem Absatz. Die Senatoren waren meist ältere Herren, die in Wohlstand lebten und nur in den wenigsten Fällen noch körperlichen Arbeiten nachgingen. Und selbst, wenn sie sich noch selbst betätigten, wie Herr Elker, dann waren es doch eher die leisen, manuellen Arbeiten, wie in seinem Fall die Goldschmiedekunst, oder das Reiten, welches nur sehr ungenügend auf Treppensteigen vorbereitete und nicht nach Herrn Elkers Geschmack war.
Herr oder auch Senator Elker war einer jener Männer, deren Reichtum nicht nur ihre Kreditwürdigkeit, ihr Ansehen und ihren Einfluss hatte wachsen lassen, sondern auch ihre Vorliebe für gutes Essen und damit auch ihren Leibesumfang. Ihn fett zu nennen wäre eine grobe Unhöflichkeit gewesen und etwas, was kein Erwachsener Einwohner Xpochs, der Wert auf sein eigenes Ansehen legte, getan hätte.
Der Senator war kein rachsüchtiger oder leicht reizbarer Mann, eher im Gegenteil. Er wirkte oft phlegmatisch und brauchte regelmäßig mehr Zeit für seine Entscheidungen, als seine Kollegen ihm zubilligen wollten. Er war jedoch kein Dummer Mensch und und das, was viele für Trägheit hielten, war in Wirklichkeit das Wissen um die eigenen Schwächen und der Versuch die daraus resultierenden Fehler zu vermeiden. Und was er in seinen langen Überlegungen in all den Jahren ausgeheckt hatte, hatte schließlich zu seinem Sitz im Senat geführt. Er war der Gildenmeister, der den Gildensitz innehatte, der einzige, der das alte Handwerk vertrat, der die Interessen seiner Freunde und der ehrlichen Menschen gegen die Neureichen und rücksichtslosen Industriellen auf er einen und den Adel und das Patriziat auf der anderen Seite verteidigen musste. Nur wenige der Wahlberechtigten im Gildenrat hatten tatsächlich realisiert, dass er nicht der Kompromisskandidat war, als den sie ihn gewählt hatten, sondern einer von vier Gildenmeistern, die dieses Amt tatsächlich angestrebt hatten und der einzige, der geschickt genug war, niemanden gegen sich aufzubringen.
Und nun, nachdem er diesen Posten inne hatte, war es seine Pflicht, auch für die zu kämpfen, die nicht für ihn gestimmt hatten. Keine leichte Aufgabe, wenn man eine von 230 Stimmen war. Aber manchmal hilft es, wenn man unterschätzt wurde.
Oft genug rangen die verschiedenen Gruppierungen im Senat um jede Stimme, was dazu führte, dass Herr Elker oft genug umworben wurde und kleine Zugeständnisse einfordern konnte, die niemandem weh taten, sein Klientel aber zufrieden stellten. Und bisher war keinem derjenigen, die seine Stimme auf diese Weise gekauft hatten, aufgefallen, dass viele kleine Zugeständnisse auf lange Sicht, wenn sei nur geschickt genug verpackt waren, etwas sehr großes ergeben konnten.
Man hatte viel Zeit, sich etwas auszudenken, wenn alle glaubten, man wäre langsam.

Herr Elker