Fronturlaub, Teil 01


Unteroffizier hätte ihm niemand zugetraut. Als letztes er selbst. Unteroffizier Sabarik! Er hatte es seinem Bruder geschrieben. Nachdem der jemanden gefunden hatte, der es ihm vorlas, würde er schon ziemlich staunen. Vermutlich ging er dazu zur Witwe Peburkel, auf die er ein Auge geworfen hatte. Und wenn sie es erst einmal wußte, dann wußten es bald alle seine Freunde.
Sie würden Platzen vor Neid. Und besser noch, sie würden endlich das Maul halten und nicht ständig über ihn herziehen.
Aber ehrlich, wer hätte gedacht, dass er, Schramo Sabarik, gerade er, der feige Schramo, Warzen Sabarik, Sabarik, die Ente, und wie sie ihn noch alles geschimpft hatten, aus der gemeinen Masse der Grummler und Fußplatten heraustreten würde, um seinen eigenen Trupp zu befehligen?
Und alles nur, weil die Pfeile gerade ihn nicht getroffen hatten, die Fallen von anderen ausgelöst worden waren und er as einziger noch die Kraft gehabt hatte, Adlung mit nach Hause zu schleppen. Die Tapferkeitsmedaille, die er dafür erhalten hatte, hatte er nicht mal im Brief erwähnt. Die wollte er seiner Familie lieber selbst zeigen und dabei Bukfred in die Augen sehen, wie sie vor Staunen übergingen.
Ja, die letzten Jahre waren gut zu Schramo gewesen, wenn man von dem Geschrei, den Gefechten, den Verletzungen und vor allem der Hölle der letzten Wochen absah. Er konnte stolz auf sich sein. Nur ein etwas bitterer Beigeschmack blieb bei der ganzen Geschichte: Adlung lag im Trilik und man konnte sehen, wie sich das Gift in seiner Wunde langsam ausbreitete und seinen Körper verrotten ließ.
Er wollte jetzt jedoch nicht an Adlung oder einen seiner anderen Kammeraden aus der Patrouille denken. Er hatte Freigang, die Kämpfe an den Handelsstützpunkten waren weit weg und es war ein wunderschöner Frühlingstag in Xpoch. Besser noch, es war Frühlingsanfang, und das hieß, es gab nur zwei Dinge, die man heute als guter Xpochler tun mußte. Die erste Verpflichtung, die nach seiner Meinung weitaus unwichtigere da langweiligere, den Besuch im Tempel, hatte er gerade hinter sich. Nun galt es, auf schnellstem Weg von der Burgdorfer Ulfa-Gemeinde zum Schafottplatz zu gelangen, denn letztes Jahr hatten die Galgenberger verloren. Und erst, wenn das Spiel vorbei war, würde er seinen Bruder besuchen, wenn er ihm nicht zufällig schon dort begegnete.
Kurz überlegte er, ob er die Sup zum Zentrum nehmen sollte, um von dort eine zweite zu den Galgenbergern zu nehmen. Ein Blick die Menschenschlange entlang, die sich die Supbahnsteigtreppen hochzog, überzeugte ihn, dass wohl andere eine ähnliche Idee hatten und er, mit einem schnellen Marsch oder auch Trott durch das Strassengewühl schneller da sein würde. Marschieren konnte er ja jetzt, das einzige, wofür er jemals belobigt wurde.
Und seine Uniform würde dafür sorgen, dass man ihm auch tatsächlich genug Platz machte, damit er schnell voran kam.
Einen Kilometer weit kam er, bevor ihm endlich bewußt wurde, dass eine Strecke, die per Luftlinie nur vier Kilometer ausmachte in einer Stadt leicht verdoppelt werden konnte. Aber ein frischgebackener Unteroffizier gibt nicht so schnell auf. Er hofft auf sein Glück.
Nicht dass er reich gesegnet war mit Glück, aber man konnte ja trotzdem hoffen. Und wenn man ein wenig nachhalf, dann kam es oft schneller als erwartet. Diesmal in Form eines alten Stahlbertis, einem Dampfei, wie sie es früher auch genannt hatten, dass sich mühelos durch die auseinanderstiebenden Mengen schob. Ein Privatrüster, ohne jeden Zweifel, denn die Metrowacht hatte die alten, quitschenden Dinger längst ausgemustert. Schramo hatte lange eine gewissen faszination für diese gehenden Metalleier empfunden, bis ihm einmal einer vor die Füße gefallen war und der Rüsterfahrer mühsam herausklettern muste, um mit Hilfe aller Anwesenden sein zentnerschweres Gefährt wieder aufrichten zu können. Seitdem wußte er, dass sie zwar prima für den Einsatz gegen leicht bewaffnete Eingeborene oder auch Aufständische waren, aber nur Leute mit einer ungesunden faszination für alles dampfgetriebene und militärische einen Stahlberti zum Spass benutzten.
Er stellte sich dem Ei in den Weg und hob die Hand. Mit einem Wackeln und einem lauten Schnauben kam der [Rüster] zum stehen. Die Beine knirschten, als sie für den Stillstand durchgedrückt wurden, aber es war das gute knirschen der Metallschienen aneinander, nicht das Knirschen der Gelenke.


Stahlberti KKG 5. Entwurf vonLaurentus


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