Als sie sich gerade auf den Weg machen wollten, kam Malandro die Treppe hinunter und schloss sich ihnen an. Er war blass, ging jedoch aufrecht und ohne zu schwanken. Zur Enttäuschung der drei Feldstraßler ließ Unterschnitt keine Kutsche kommen. Als er sich von den großen Straßen fern hielt, begriffen sie jedoch, dass er versuchte, unentdeckt zu bleiben, was durch das beständige Schwatzen der drei nicht erleichtert wurde.
"Was ham die [Dämonen] eigentlich von der ganzen Sache?" fragte Malandro, sobald sie in eine kleine Gasse eingebogen waren.
"Was meinst‘e? Seelen?"
"Seelen? wie kommst'e jetzt darauf?"
"Die [Dämonen] woll'n doch immer Seelen, oder?"
"Aber darum geht's doch grad gar nich'. Ich mein die Anschläge."
"Na, dass Vilet weg ist natürlich. Vielleicht haben sie tatsächlich Angst vor ihr."
"Soweit is' mir das auch klar. Aber wenn der Winterhirte hier alles einfriert, dann frier'n se doch auch gleich mit ein."
"Frieren [Dämonen] ein?"
"Weiß nich'. Dachte schon. Und selbst wenn nich' is hier doch alles kaputt."
"Vielleicht können sie dann die Seelen aller Toten auf einmal einsammeln?"
"Boa, das is' echt gruselig."
"Geht das denn? Ham doch gar keinen Vertrag?"
"Ich bin doch kein Priester, woher soll ich das denn wissen? Klingt aber irgendwie logisch."
"Die Priester ham doch gar keine Ahnung."
"Ich denk, sie ham nichts vom Winterhirten gehört."
"Klar! Jagen Vilet und wissen nichts von Gegner."
"Warum nich? Und so wie's Walde sagt, is' er ihr Boss, nich' ihr Gegner."
"Weil se einfach alles wissen, oder?"
"Ich glaube, Tiscio könnte Recht haben. Und sie wissen nicht alles."
"Sie kenn alle Anhänger, nich'?"
"Dazu mussten sie ja doch nur kucken, wer zu ihr geht, oder?"
"Kann das sein, Herr Unterschnitt?"
Der Mann, der die ganze Zeit mit verspannten Schultern vor ihnen ging, blieb stehen und drehte sich zu ihnen um. "Natürlich kann das sein. Es kann auch sein, dass es nicht die [Dämonen] sind, sondern nur ein paar Separatisten, die zufälligerweise immer ein paar Anhänger einer obskuren Sekte töten. Die [Dämonen] wären wahnsinnig, sich auf einen Krieg mit dem Königreich einzulassen, denn nichts anderes als eine Kriegserklärung sind diese Anschläge. Sie müssten schon einen sehr guten Grund haben, um Frau Freifrieder und ihre Jünger anzugreifen. Wir werden es nicht erfahren, bevor wir nicht Dietstedt gefunden haben. Und jetzt wäre es schön, wenn ihr ein wenig leiser sein könntet, damit wir weniger auffallen."
Dies brachte die Feldstraßler für eine Weile zum Schweigen. Tiscio jedoch, der manchmal den Wink mit dem Zaunpfahl nicht mitbekam, selbst wenn das Holz seinen Kopf berührte, brach schließlich erneut das Schweigen: "Warum gibt's eigentlich den Vertrag, ich mein den mit den Dämonen? Und warum halten sich die [Dämonen] daran?"
Unterschnitt hob seine Hände ein paar Zentimeter. Andere hätten ihre Arme in die Luft geworfen, was ihm jedoch nicht lag. Wieder blieb er stehen, wieder drehte er sich um. "Was lernt ihr eigentlich in der Schule?" Für einen Augenblick betrachtete er Tiscio von seiner Schiebermütze bis zu seinen zerschlissenen Schuhen. "Vermutlich nichts." Er holte tief Luft, so als wollte er betonen, wie ungelegen diese Unterbrechung seiner Gedankengänge kam und wie niederträchtig es von den Schulen Xpochs war, ihm diese Bürde aufzuerlegen, die Bürde, ein paar Jungen in den Grundlagen des Staatswesens zu unterrichten.
"Den Vertrag gibt es, damit Frieden in Xpoch herrscht. Ohne ihn hätten wir entweder die beständige Sorge um die Seelen der einfältigen oder einen beständigen Krieg zwischen [Dämonen] und dem Königreich, der zu unzähligen Toten geführt hätte."
"Aber ..." Bevor Tiscio mehr sagen konnte, bekam er einen Stoß von Malandro, der Herrn Unterschnitt besser beobachtet hatte.
Sie waren etliche Gassen weiter, als Tiscio Zunge erneut seinen Manieren zuvorkam. Diesmal blieb Herr Unterschnitt einfach stehen und drehte sich nicht um, bevor der Junge seine Frage gestellt hatte:
"Herr, Herr Soldrang hat g'sagt, Eisen oder Silber hilft gegen Dämonen. Äh, wie, ich mein', woher weiß man, was welche?"
"Warum kannst du deine Fragen nicht stellen, wenn wir nicht gerade versuchen, auf heimlichen Wegen durch die Stadt zu gelangen?" Erst dann drehte er sich um.
"Wir haben festgestellt, dass die Dämonen, die in ihrer natürlichen Gestalt menschenähnlich sind, nicht gegen Silber gefeit sind, jene, die kaum noch menschliche Züge tragen jedoch Eisen nicht vertragen. Die Schwierigkeit dabei ist, dass sie so selten in ihrer wahren Gestalt anzutreffen sind. Und wenn ihr jetzt hofft, dass man sie damit nur berühren braucht, um sie zu verwunden, dann muss ich euch enttäuschen. Der einzige Vorteil, den man damit gewinnt, ist die Möglichkeit, sie überhaupt verletzen zu können. Reicht das aus, um deine Neugier zu stillen, bis wir wieder in der Konditorgasse sind?"